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Let's make some noise! Oder schlafende Hunde besser nicht aufwecken? - Entscheidungsfindungsprozesse mit Hintergrundrauschen

Happy New Year…

Darf man sich ja noch wünschen, oder? Ich hoffe ihr seid gut ins neue Jahr gekommen. Ich für meinen Teil bis sehr gespannt, was dieses Jahr 2022 mit sich bringt. Ein paar Ideen habe ich, aber am Ende kommt ja doch immer alles anders, als man denkt. Zumindest der Anfang war für mich recht entspannt, was aber ganz sicher nicht so bleiben wird.

Ich liege gerade mit Kurt, unserem neusten Familienmitglied auf der Couch und die sonst gerne auch mal recht quirlige kleine Französische Bulldogge döst friedlich vor sich hin. Schlafende Hunde soll man nicht aufwecken, schießt mir in den Kopf und ich verhalte mich ganz ruhig, um in Ruhe weiterschreiben zu können.

Schlafende Hunde soll man nicht aufwecken… So oder so ähnlich höre ich es gerne auch mal im Job, wenn ich mich in den Organisationseinheiten, die ich begleite, dazu aufmache, allen Mist, Staub und Dreck, der sich naturgemäß so ansammelt, an die Oberfläche zu spülen. Ist es sinnvoll, hierbei proaktiv oder reaktiv zu sein? Ich komme aus der Luftfahrt und habe mehr als deutlich gelernt, dass eine reaktive Haltung verdammt blutig enden kann. Zwischen den Jahren bin ich über ein Thema gestolpert, das ich ganz sicher proaktiv bei meinen Kunden ansprechen werde. Ebenso proaktive möchte ich meine Gedanken dazu auch mit euch teilen. - Und vielleicht einen schlafenden Hund wecken!

Das Märchen der richtigen Entscheidung

Ich habe schon häufiger über Entscheidungsfindungsprozesse geschrieben, stellen sie doch den Kern unseres Schaltens und Waltens auf Erden dar. Wir wachen morgens auf und treffen bereits die erste Entscheidung: direkt raus aus den Federn oder nochmal 10 Minuten auf Snooze? Schon an dieser Stelle durchlaufen wir alle einen individuellen Prozess mit unterschiedlichen Ergebnissen. Was ist richtig? Was ist falsch? -Beides, wenn es eben passt! Kaffee oder Tee? Frühstück oder gleich los? Und natürlich: was ziehe ich an?

So hangeln wir uns durch den Tag, jeder für sich und doch alle gemeinsam. Was uns sicher eint ist, dass jeder von uns immer bestmöglich entscheiden möchte, bzw. keiner von uns absichtlich eine falsche Entscheidung trifft.

Im Job geht es direkt weiter. Eine Entscheidung jagt die nächste. Besonders spannend wird es, wenn die Entscheidungen, die wir im Job treffen Folgen haben. Natürlich entscheiden wir auch hier nach bestem Wissen und Gewissen und trotzdem jeder von uns ein bisschen anders. Nehmen wir zum Beispiel einen Richter, der sich an Recht und Gesetz hält und seine Urteile natürlich bestmöglich trifft. Eigentlich müssten folglich alle Richter in Fällen mit exakt gleicher Sachlage auch immer gleich entscheiden. Tun sie aber nicht! Natürlich liegt das an der subjektiven Beurteilung der Fakten. So ist der eine Richter milder als der andere. Den einen empört zum Beispiel Betrug ganz besonders, der andere ist genau hier weniger scharf in seinem Urteil. Auf diese Weise entsteht selbst in unserem Rechtssystem eine gewisse Zufälligkeit. Und es gibt noch mehr Umstände die die Zufälligkeit noch viel zufälliger werden lassen. Studien aus den USA belegen, dass sogar Temperaturschwankungen Einfluss auf Gerichtsurteile haben, oder ob die örtliche Football-Mannschaft am Wochenende verloren hat, der Angeklagte Geburtstag hat, oder um den wievielten Fall des Tages es sich handelt. Total unberechenbar, oder?

Diese unberechenbare Abweichung bezeichnet der der Wirtschaftspsychologe Daniel Kahneman in seinem neusten Buch, das er gemeinsam mit den Herren Sibony und Sunstein geschrieben hat, als Noise.

Noise oder Bias

Nun wird der ein oder andere von euch sich völlig zurecht denken: diese Abweichung zur Norm kenne ich schon. Das habe ich bisher Bias genannt. Warum braucht es dafür ein neues Wort? Ganz einfach: weil es sich um zwei unterschiedliche Paar Schuhe handelt. Ich erkläre es kurz.

Wir stellen uns vor, eine gesamte Personalabteilung sei der Meinung, dass Frauen weniger geeignet wären eine Führungsposition einzunehmen! Das ist natürlich nur rein hypothetisch und total konstruiert! Aber stellen wir uns das einfach mal vor. So würde es zu einer einheitlichen Abweichung in der Beurteilung der Eignung von Frauen kommen. Das wäre dann ein unschöner, aber doch sehr berechenbarer Bias.

Stellen wir uns nun vor, dass es in ein und derselben Personalabteilung Kollegen gibt, die Frauen als weniger geeignet für Führungspositionen sehen, andere, die glauben, Frauen, seien generell besser geeignet, und natürlich gibt es auch die eine Hardlinerin, die glaubt es braucht generell mehr Frauen in der Chefetage, Qualifikation erstmal zweitrangig. Auch hier gibt es eine Abweichung von der Norm oder dem Ideal, allerdings eine komplett unberechenbare Abweichung, welche die drei W eisen aus den USA als Noise bezeichnen.

Sowohl Bias als auch Noise führen zu falschen Entscheidungen. Während das eine berechenbar ist, ist das andere total unberechenbar, weil es auf individuellen kognitiven Fehlleistungen beruht.

Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Diese Frage stellte sich dereinst Paul Watzlawick, als er seine Theorie des radikalen Kontruktivismus beschreibt. Watzlawick legt sehr eindeutig dar, dass wir Menschen uns unsere Wirklichkeit selbst konstruieren, passend zu unseren Erfahrungen, unserem Wertesystem, unseren Vorlieben und so weiter. Hier bringt jeder sein ganz eigenes Päckchen mit, was toll ist! Macht uns das doch ganz einzigartig. Gleichzeitig ruft genau das Noise hervor, da es dazu führt, dass wir ein und denselben Sachverhalt unterschiedlich einordnen oder beurteilen. Hierzu gab es Studien bei Versicherungen, die belegen, dass unterschiedliche Sachbearbeiter den gleichen Umstand unterschiedlich bewerten. Die Abweichung liegt laut den Erkenntnissen Kahnemans bei über 50 Prozent. Das ist eine Menge! Besonders wenn es wie bei Versicherungen, oder Banken ums Geld geht, ganz zu schweigen, davon, wenn Justitia ins Spiel kommt!

Noise in Organisationen

Wie bei all diesen neuen Erkenntnissen aus den Federn der Wirtschaftspsychologen und Beratern, stellt sich die Gretchen-Frage, was Organisationen nun damit anfangen sollen. Als Coach würde ich mir im ersten Schritt mal anschauen, wie es denn um Noise, dieses Hintergrundrauschen, in der jeweiligen Organisation (-seinheit) bestellt ist. Wie? Ganz einfach! Ich konstruiere einen Sachverhalt, den es zu beurteilen gilt und gebe diesen unterschiedlichen Mitarbeitern und schaue mir am wie sie entscheiden, bzw. wie groß die Streuung der Ergebnisse ist.

Im zweiten Schritt geht es darum, die allgemeine Aufmerksamkeit auf das Thema Noise zu lenken. Hier muss ich quasi den schlafenden Hund der kognitiven Diversität innerhalb meiner Organisation wecken!

Und dann? Dann ist es erstmal wichtig zu betonen, dass diese Unterschiedlichkeit keineswegs schlecht ist. Im Gegenteil! Es geht nämlich aus meiner Sicht nicht darum, ein Noise-freies System zu konstruieren. Das wäre das Ende von Innovation und Kreativität. Auch darf es keineswegs passieren, dass individuelle Ermessensspielräume genommen werden. In einem dynamischen und komplexen Umfeld würde dies das relative sichere Ende der Organisation bedeuten.

Also, was tun? Selbstverständlich das, was wir VUKA-Priester und Coaches Tag ein Tag aus von unserer hohen Kanzel aus predigen: analytisch das Team als Ressource auch im Rahmen von Entscheidungsfindungsprozessen nutzen und Transparenz schaffen. Aber gerne mal eins nach dem anderen:

  1. Zunächst muss jeder einzelne Mitarbeiter verstehen, dass es bei Entscheidungen nicht um den Ausdruck von Persönlichkeit, sondern von Genauigkeit geht. Dazu ist es hilfreich, die Mitarbeiter dabei zu unterstützen, sich hinsichtlich ihrer ganz persönlichen Einflussfaktoren zu reflektieren.

  2. Während des Prozesses der Entscheidungsfindung ist es sinnvoll, eine Art Metaebene einzunehmen, von der aus man seinen individuellen Fall nicht als isolierten Einzelfall sieht, sondern versucht sich im Rahmen der Entscheidung auf eine Referenz ähnlich gelagerter Problemfälle zu beziehen.

  3. Auch ist es immer hilfreich, sich Beratung oder Unterstützung zu holen. Vielleicht lässt sich die eine, große Entscheidung in mehrere Teilentscheidungen zerlegen, die von unterschiedlichen Menschen getroffen werden können. Laut Kahneman und Konsorten ein ausgesprochen zielführendes Vorgehen.

  4. Warum nicht das Team nutzen, um andere Perspektiven einzubeziehen?! Aber bitte so, dass erst jeder für sich eine bestmögliche Entscheidung trifft und dann darüber gesprochen wird. Wird erst diskutiert, ist es den einzelnen Teammitgliedern nicht mehr möglich, ihre Entscheidung ganz unabhängig zu treffen. Eine Diskussion im Vorfeld würde diese verfälschen. Am dieser Stell muss ich gestehen, dass ich nicht zu hundert Prozent mit Kahneman übereinstimmen kann. Ich weiß natürlich was er meint. Diese Art der Voreingenommenheit möglichst zu verhindern um ein halbwegs objektives Bild der Situation zu bekommen, sollte Thema sein. Allerdings merke ich immer wieder an mir selbst, wie wichtig diese Diskussionen für meinen eigenen Horizont sind. Allerdings sollten diese faktenbasierend und nicht basierend auf Meinungen stattfinden.

  5. Ferner ist es laut Kahneman ausgesprochen hilfreich, Menschen nicht mit zu vielen Informationen zu überfrachten. Weniger ist mehr und hilft den Fokus zu halten. -Nicht einfach, betrachtet man den teilweise inflationären Informationsfluss in Organisationen.

  6. Abschließend schreibt Kahneman, dass Intuition durchaus am Ende des Prozesses eine Rolle spielen darf, da Entscheider das belohnende Gefühl brauchen, ihrer Intuition vertrauen zu können. Niemals darf Intuition jedoch am Anfang des Prozesses stehen. Stattdessen ist es wichtig, analytisch und faktenbasierend in den Prozess einzusteigen. Der intuitive Teil darf dann nach der analytischen Betrachtung aller Dimensionen mit einem gewissen zeitlichen Abstand folgen.

Natürlich kann man auch mit Hilfe von Algorithmen versuchen Noise in einer Organisation zu reduzieren, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Algorithmen dann rassistisch, sexistisch oder anderweitig diskriminierend sind. Das erscheint mir persönlich wenig hilfreich! Also eben doch die schlafenden Hunde wecken und über Noise reden, Menschen, Teams, Organisationen dazu anregen sich selbst hinsichtlich ihrer Entscheidungsfindungsprozesse zu reflektieren und sich darüber bewusst sein, dass es diese eine objektiv richtige Entscheidung zumeist nicht gibt.

Ich wünsche euch einen wunderschönen Sonntag. Ich werde wohl in aller Stille mit dem Hund in den Schnee gehen, der schon seit Freitag ganz lautlos fällt.

Eure Constance

Schlafenden Hunde sollte man nicht aufwecken!

Trotzdem ist es manchmal sinvoll, anständig Krach zu machen…

Das Märchen der richtigen Entscheidung

Alea iacta est

Die Würfel sind gefallen, oder viel mehr ist der Würfel gefallen, um Gaius Julius Cäsar korrekt zu zitieren! Die Politik hat entschieden wie es weiter geht: Kleine Läden auf, große bleiben zu, die Schulen so halb auf, Restaurants bleiben zu, Masken sind toll, aber nur freiwillig, außer man wohnt in Jena oder Sachsen und so weiter und so fort. Kaum sind die Entscheidungen veröffentlicht, entbrennt eine rege Diskussion, ob das denn nun so richtig oder falsch sei. Fünf Leute, sieben Meinungen um am Ende ist ohnehin klar, dass die jeweiligen Entscheider eigentlich nur verlieren können. Behält man diesen eher konservativen Kurs bei und wird so dankenswerter Weise kein Arzt in Deutschland vor die Frage gestellt, ob nun Patient A oder B mittels Beatmungsgerät zu retten ist, wird früher oder später die Wirtschaft der Meinung sein, man hätte die finanziellen Verluste geringer halten können, hätte man nicht so zurückhaltend und vorsichtig agiert. In Ländern, die vielleicht aus einer volkswirtschaftlichen Betrachtung heraus einen progressiveren Kurs fahren, werden gerne auch von außen Stimmen laut, man stelle wirtschaftlichen Erfolg über Menschenleben. Es ist wie es ist und es bleibt ein Dilemma und all die sonderbaren und zum Teil nur schwer nachvollziehbaren Kompromisse von Schutzmasken und Parknutzung über Ladenflächen bis hin zur Schulöffnung zeigen, dass man sich dessen bewusst ist.

Macht die Bundesregierung das jetzt richtig, oder ist es falsch? Am Ende ist es immer eine Frage der Perspektive und des Vertrauens. Habt ihr schon einmal absichtlich eine falsche Entscheidung getroffen? Eben! Wir entscheiden immer aus unserer Perspektive heraus, mit den uns zur Verfügung stehenden Fakten, aus unseren Erfahrungen heraus und immer bestmöglich. Im Nachhinein festzustellen, dass eine Entscheidung falsch war, kann passieren, ist wie ich glaube aber auch irgendwie überflüssig, es sei denn ich bin in der Lage noch etwas aktiv zu korrigieren. Ist dieser Moment verstrichen, sollte ich meine Entscheidung konsequent loslassen, denn erstens kann es ja sein, dass die nicht getroffene und vermeintlich richtige Entscheidung im Nachhinein noch viel falscher gewesen wäre, zweitens verschwende ich Energie und Kreativität für etwas, das nicht mehr zu ändern ist und drittens hindert mich der permanente Blick in die Vergangenheit daran, mich weiter zu entwickeln.

Ich denke schon seit Jahren nicht mehr in Kategorien wie richtige und fasche Entscheidungen. Viel mehr geht es mir in meinen Schulungen darum, meinen Teilnehmern ein Tool mit an die Hand zu geben, um situativ bestmöglich und analytisch zu entscheiden. Der ein oder andere hat ja inzwischen mitbekommen, dass ich meine Trainerwurzeln im Human Factors Training der zivilen Luftfahrt habe. In diesem Bereich bin ich auch über ein analytisches Entscheidungsfindungsmodell gestolpert, dass denkbar einfach und auch für alle Bereiche, in denen sich der Mensch so rum treibt, passend ist. Es trägt den kryptischen Namen FOR-DEC und soll uns in erster Linie Struktur und Sicherheit geben, wenn wir das Gefühl haben, es prasselt mal wieder viel zu viel auf uns ein und wir würden uns am liebsten in unser Schneckenhaus zurück ziehen und warten bis das Chaos vorbei ist und jemand anders für uns entschieden hat.

Der Weg zur analytischen Entscheidungsfindung

Wie kann mir FOR-DEC also bei der Entscheidungsfindung helfen? Jeder der sechs Buchstaben steht für einen Schritt im Rahmen meines Entscheidungsprozesses, die nacheinander abzuarbeiten sind. Wir gehen hier mal Schritt für Schritt durch:

  1. Das F steht für “Facts”. Das heißt die Basis meiner Entscheidung sollten Fakten sein, möglichst viele Fakten. Da die Fakten, die mir selbst in den Kopf kommen, immer auch durch meine ganz individuelle Perspektive und Wahrnehmung geprägt sind und ich diese immer auch durch meine Erfahrungen, mein Wissen und meine Sozialisierung bewerte, ist es immer ratsam, alle zur Verfügung stehenden Ressourcen zu nutzen und weitere Perspektiven mit einzubeziehen. Im Cockpit sind Piloten dafür immer mindestens zu zweit, und auch in der gegenwärtigen Corona-Situation ist unsere Bundesregierung im wahrsten Sinne des Wortes gut beraten. Frau Merkel triff ihre Entscheidungen nicht alleine in ihrem stillen Kämmerchen, sondern schart Experten aus allen möglichen Bereichen und weitere führende Politiker um sich, um gemeinsam und unter Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven eine möglichst breite Faktenbasis zusammen zu stellen. Herr Trump macht das anders. Der kann das allein. Aber der trifft ja auch keine falschen Entscheidungen und falls doch, dann nur weil die Chinesen oder die WHO manipuliert haben.

  2. Das O steht für “Options”. Hier wird geschaut, welche Möglichkeiten ich denn überhaupt habe. Hier passiert häufig der Fehler, dass Menschen dieses “Entweder-Oder-Prinzip” so verinnerlicht haben, dass sie, wenn sie zwei Optionen gefunden haben, glauben fertig zu sein. Im Falle von Corona wären das dann Ausgangssperre oder keine Restriktionen. Herzlichen Dank an die großen Entscheider dieser Tage, dass sie sich die Mühe gemacht haben, nach weiteren Optionen zu graben. Und auch euch kann ich nur dazu ermuntern, euch an dieser Stelle ruhig mal etwas mehr Zeit zu nehmen, beruflich wie privat. Der Benefit könnte riesig sein, so riesig, wie die Möglichkeit, dieser Tage spazieren zu gehen und das Wetter draußen zu genießen. Das wäre bei einer Ausgangssperre nicht möglich.

  3. Das R steht für “Risks and Benefits” und an dieser Stelle führt man eine Risikoabwägung für alle zur Verfügung stehenden Optionen durch. Jede Option wird ein Für und ein Wider haben und hier muss man ganz individuell schauen, was wie schwer in der Waagschale liegt. Auch an dieser Stelle nochmals der Aufruf dazu, im Rahmen komplexer Entscheidungen alle zur Verfügung stehenden Ressourcen zu nutzen. Ja, am Ende muss einer die Verantwortung übernehmen, das macht Frau Merkel für Deutschland, wie es Herr Trump für die USA tut. Aber ich finde, Frau Merkel wirkt dabei gerade etwas weiser.

  4. Langsam wird es spannend! Das D steht jetzt endlich für “Decision”, also die Entscheidung. Irgendwann muss sie ja mal getroffen werden. Dazu braucht es Mut gepaart mit Rückgrat und Verantwortung. Dazu gleich noch etwas mehr.

  5. Das E steht für “Execution”, also die Durchführung. Hierbei sollte man im Vorfeld festlegen, wer wann was macht. Eine klare Aufgabenteilung und ein klarer Zeitplan sind sehr wichtig für den Erfolg.

  6. Nach Punkt fünf könnte man meinen, man sei fertig. Allerdings ist das C in FOR-DEC der vielleicht wichtigste Punkt. Denn C steht für “Check”. Ich muss selbstverständlich überprüfen, ob meine Maßnahmen auch erfolgreich sind oder waren. Dazu muss ich natürlich auch wissen, anhand welcher Parameter ich Erfolg messen. In Hinblick auf die gegenwärtige Pandemie ist das die Ansteckungskurve. Auch wenn es hierzu unterschiedliche Interpretationsmodelle gibt, sind sich doch am Ende alle einig: Die Kurve muss flacher werden und wenn das nicht passiert, wird es anstrengend. Dann muss ich nämlich wieder zurück zu F und von vorne anfangen. Wenn der Erfolg nicht eintritt, muss mir ein wichtiger Fakt durch die Lappen gegangen sein, oder ich habe eine weitere Option übersehen, oder, oder, oder. Also alles wieder auf Anfang, bis der Erfolg eintritt.

Entscheidungen, die nie getroffen werden

So weit zur Theorie. Um hier auch in der Praxis glänzen zu können, müssen wir uns nochmal die unter Punkt vier aufgeführten Eigenschaften Mut, Rückgrat und Verantwortung etwas näher anschauen. Es gibt durchaus Menschen, die Verantwortung mit Macht verwechseln. Frau Aderne spricht in Neuseeland immer wieder von Verantwortung, Herr Trump spricht von seiner Macht. Ich würde mir wünschen, dass das Assessment für die Führungskräfte unserer Unternehmen etwas erfolgreicher ist, als das für Spitzenpolitiker. Eine weise und gute Auswahl ihrer Entscheidungsträger ist das eine, was Unternehmen tun können, um sich weiterzuentwickeln, sich schnell an neue Voraussetzungen anzupassen und erfolgreich zu sein. Was Unternehmen aber nicht außer Acht lassen dürfen ist, dass Position allein nicht mutig macht. Um mutig sein zu können, brauche ich auf der anderen Seite Sicherheit. Und wer meinen Blog in den letzten Wochen mitverfolgt hat, oder in einem meiner Workshops war, der kennt meine Affinität zur Harvardprofessorin Amy C. Edmondson und ihrer Theorie der Psychological Safety als Grundvoraussetzung für eine sogenannte Lernende Organisation und somit auch für ein erfolgreiches Unternehmen (ja, liebe Chefs, es geht nicht ohne!). Denn es sind nicht die vermeintlich falschen Entscheidungen, die die großen Probleme machen. Es sind die Entscheidungen, die aus Angst oder fehlendem Mut niemals getroffen werden, die uns nachhaltig Probleme bereiten. In der Luftfahrt sind diese sogar potenziell tödlich! Denkt mal darüber nach und fangt an Entscheidungen zu treffen, analytisch, in Ruhe, im Team und bitte ohne die Angst, eure Entscheidung könnte falsch sein. FOR-DEC bringt euch immer wieder an den Anfang zurück!

Schönes Wochenende!

Eure Constance

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Heute schon entschieden?

Wie Fehler uns aus der Höhle raus ins Licht führen

Erst mal Danke

Eh ich mich meinem zweiten Beitrag inhaltlich widme, möchte ich erstmal Danke sagen. Ich war wirklich erstaunt, wie viel Feedback ich auf allen möglichen Kanälen zu meinem ersten Versuch bekommen habe. Und resultierend aus diesem Feedback möchte ich eine Frage in die Runde stellen: Gibt es Interesse daran, durch eine Art Newsletter über zukünftige Veröffentlichungen informiert zu werden? Ich weiß, dass das hier technisch irgendwie möglich ist (und Ihr spürt mein Unbehagen, in dem Moment, in dem ich das hier schreibe!). Kurze Info dazu gerne auf allen Euch bekannten Kanälen!

Wie sich Fehler anfühlen

So, aber jetzt hin zum Thema das Tages: FEHLER! Dem ein oder anderen stellen sich schon bei diesem Wort die Nackenhaare, so vorhanden, auf. Vor dem inneren Auge steht eine ältere faltige Oberlehrerin mit grau-meliertem Haar, das streng zu einem Dutt zusammengebunden ist. Von oben herab und über ihre Brille schauend, die Augen leicht zusammengekniffen, die Stirn in Falten gelegt, hebt sie den rechten Zeigefinger und ihren gespitzten, faltigen Lippen entweicht schrill das böse F-Wort (nein, nicht das, das andere). Du fühlst dich sofort klein, schlecht und bloßgestellt.

Zurück in die Höhle

Mal ehrlich, Fehler sind in unserer Gesellschaft nicht gerade positiv belegt. Dabei wären wir ohne Fehler bei weitem nicht da, wo wir jetzt sind, gesellschaftlich, evolutionsgeschichtlich und individuell. Wie ich darauf komme? Wir gehen mal zurück in die Höhle, zu denen die irgendwann mal das werden sollten, was wir heute sind. Der prähistorische Mann kommt stolz von der Jagd zurück und übergibt die Beute (wir stellen uns vor es ist etwas Schwein-artiges) der Frau, die es zerlegen und zubereiten soll. Weil die nebenbei noch mit ihrer Freundin quatscht, um die damals überlebenswichtigen sozialen Bindungen zu manifestieren, fällt ihr das Fleisch ins Feuer. Großer Fehler! Beim Versuch, das Abendessen zu retten, verbrennt sie sich noch die Finger, der Mann schimpft, die blöde Kuh von Freundin kichert und die arme Frau fühlt sich klein, schlecht und bloßgestellt. Das schlimmste ist, dass der nicht vorhandene Kühlschrank leer ist und man das verunglückte Schwein mangels Alternativen auch noch essen muss. Beim Essen merkt der Mann, dass das mit den Röstaromen gar nicht so schlecht ist, weshalb die Freundin die Idee einer Grillparty mit in ihre Höhle nimmt. Es folgt das erste kollektive Angrillen der Menschheitsgeschichte. Und, meine Herren, ganz wichtig, all das nur, weil die Alte so doof war!

Die Entwicklung geht weiter. Denn neben den Röstaromen, die ja so lecker schmecken, hat das gegrillte und gekochte Essen noch einen weiteren positiven Nebeneffekt: Gekochtes oder Gegrilltes ist leichter verdaulich und plötzlich hatte der Höhlenmensch ganz viel Energie, die die Verdauung ja nun nicht mehr brauchte, übrig. Das Fitti war noch nicht erfunden, also dachte sich die Evolution, nutze ich die Energie doch und mache das Gehirn größer und leistungsfähiger. Einen vergleichbaren Mechanismus würde ich mir bis heute manchmal wünschen. Die Fittis sind ja grade alle geschlossen… Aber sei’s drum, das menschliche Hirn hat einen wahren Entwicklungsschub erfahren und zack waren wir raus aus der Höhle, hatten Häuser, Elektrizität, Autos, Flugzeuge und Internet. Und alles nur, weil Madame das Essen verbrannt hat.

Auf absolute historische Korrektheit legen wir hier jetzt nicht ganz so viel wert. Genau wissen es nur die, die dabei waren. Aber irgendwie muss das Gejagte ja mal ins Feuer gefallen sein. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass das nicht absichtlich geschah, wie so vieles, was uns als Gesellschaft weitergebracht hat.

Raus aus der Höhle und rein in die Wissenschaft

Dieser Entwicklungsmechanismus lässt sich nun beliebig auf andere Bereiche übertragen: Auf Gesellschaften, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen und am Ende sogar auf jeden Einzelnen von uns. Warum ist das so? Ganz einfach, weil Fehler überall da, wo der Mensch am werkeln ist, systemimmanent sind. Es geht nicht ohne. Punkt! Vor einigen Jahren dachte ich diesbezüglich noch, dass man damit halt irgendwie klar kommen muss. Inzwischen habe ich meine Haltung dahingehend geändert, als dass ich sage, dass Fehler von der Evolution gewollt sind, weil sie neben Neugier und Mut eine absolute Basis für Entwicklung darstellen, im großen wie im kleinen.

Jetzt ist es aber ehrlicherweise oftmals noch immer so, dass wir zwar alle so kluge Sprüche wie: “Dein letzter Fehler ist dein wichtigster Lehrmeister” (mfG, dein Zen-Meister) kennen und verstehen und trotzdem taucht da immer wieder diese alte fiese Lehrerin vor unserem inneren Auge auf, die uns im Endeffekt davon abhält unsere Fehler positiv zu nutzen. Denn nur Fehler machen, bringt weder uns, noch unser Unternehmen voran, im Gegenteil. Wichtig für Entwicklung ist der Prozess der Fehleranalyse, sowohl auf individueller, als auch auf Organisationsebene.

Im Rahmen einer Fehleranalyse schaue ich mir im ersten Schritt an, um welche Art Fehler es sich handelt. Die Harvard Professorin Amy C. Edmondson unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen drei Fehlerarten: den vermeidbaren, den komplexen und den intelligenten Fehlern.

Der häufigste vermeidbare Fehler ist das Abweichen von Regeln oder vorgeschriebene Prozessen. Jeder der jetzt die Stirn in Falten legt, darf mal darüber nachdenken, wie oft er schon allein im Straßenverkehr gegen Regel verstoßen hat. Im zweiten Schritt darf er sich mal hinterfragen, warum er das getan hat und was auch immer da raus kommt, sind die gleichen Gründe, weshalb wir auch auf der Arbeit immer wieder gegen Regeln verstoßen. Was kann ich als Unternehmen nun tun, damit meine Mitarbeiter sich etwas besser an Regeln halten? Ich muss dafür sorgen, dass jeder die Regeln kennt, ich muss eine Awareness für die Sinnhaftigkeit dieser Regeln oder Prozesse schaffen und gegebenenfalls schaffe ich sogar Redundanzen, lasse Leute in Teams arbeiten, die sich selbst korrigieren. Überwachung und Bestrafung halte ich nicht für sinnvoll. Aber dazu mehr in meinem nächsten Beitrag.

Bei den komplexen Fehler werden auch die möglichen Gegenmaßnahmen für ein Unternehmen deutlich komplexer. Denn unter komplexen Fehlern versteht Frau Edmondson Fehler die system- oder organisationsbedingt gemacht wurden. Fehler, zu denen der einzelne Mitarbeiter eigentlich nichts kann, obwohl er sie gemacht hat. Hier ein einfaches Beispiel: In einer Autowerkstatt wechselt der neu eingestellte Mechaniker Reifen. Den passenden Radschlüssel gibt es in der Werkstatt nicht, deshalb nimmt er einen der vielen anderen, der halt irgendwie passt. Zwei Tage später beschwert sich der Kunde, dass er ein Rad verloren und infolge dessen einen Unfall gebaut hat. Der Werkstattbesitzer ist erschrocken und wütend und schmeißt seinen Mechaniker raus. Der nächste Mechaniker macht den gleichen Fehler, wieder ein Unfall und der Chef schmeißt ihn auch raus. So geht es munter weiter bis alle Kunden sich eine neue Werkstatt gesucht haben und unser Chef in die Insolvenz rutscht. Und da das ja sicher kein Chef möchte, sollten Chefs von Natur aus daran interessiert sein, komplexe, systembedingte Fehler zu erkennen und zu analysieren. In diesem Fall wäre es ganz einfach gewesen: kleine Investition und Pleite abgewendet. Sollte sich jetzt der ein oder andere Fragen, warum der Mechaniker nicht von sich aus gesagt hat, dass er ein Problem hat, kann ich nur sagen, sehr gut mitgedacht. Die Antwort gibt’s im nächsten Beitrag.

Jetzt haben wir also eine Gruppe von Fehlern, die uns dazu führen, die individuelle Performance zu optimieren und eine Gruppe von Fehlern, die dazu führen, dass das System, die Organisation oder das Unternehmen optimiert werden (und liebe Chefs, das bedeutet auch immer gleich mehr Gewinn oder weniger Verlust). Kommen wir nun zu der Kategorie Fehler, die zur Weiterentwicklung oder Evolution führen: die intelligenten Fehler. Hierbei handelt es sich um Fehler, die zu neuem Wissen führen. In Wissenschaft und Forschung sind diese Fehler eine gängige Form der Weiterentwicklung und werden im Rahmen sogenannter Trial-and-Error Experimente bewusst herbeigeführt. Ein gutes Beispiel dafür ist, wie die Forschung gegenwärtig nach einem Medikament gegen Corona sucht. Und vielleicht hat ja auch unsere Höhlenfrau ein unbewusstes Trial-and-Error Experiment durchgeführt. Hätte ja auch schief gehen können, mit dem Fleisch und dem Feuer.

Raus aus der Wissenschaft und rein in die Wirtschaft

Was mich ein wenig wundert ist, dass das, was für die Wissenschaft das Erfolgsrezept überhaupt darstellt, von der freien Wirtschaft nur sehr zögerlich angenommen wird. Warum nicht bewusst scheitern und daraus wertvolle Information für eine in unserer Zeit unabdingbare Weiterentwicklung sammeln? Chefs, was hält Euch zurück? Wenn es fehlende Vorstellungskraft dafür ist, wie so etwas aussehen kann, hier ein, wie ich finde, tolles Beispiel aus der Praxis:

Im Rahmen meiner vielen Weiterbildungen und Qualifikationen hin zum Mediator und Business Trainer durfte ich eine Woche lang von Michael lernen. Michael, liest Du das? Darf ich Werbung machen? Egal, Michael ist Eigentümer eines recht erfolgreichen mittelständigen Trainingsunternehmens. Michael stellt seinen Leuten jedes Jahr ein gewisses Budget bereit um mal völlig verrückte und vor allem unvernünftige neue Wege zu gehen und Neues auszuprobieren. Einmal im Jahr werden dann nicht nur die Ideen gefeiert, die erfolgreich waren. Nein, der Fokus liegt auf der Idee, die am kläglichsten gescheitert ist, um daraus zu lernen und vielleicht auch um ein wenig Demut zu üben. Wenn man selbst erfolgreicher ist als andere, gibt einem das leicht das Gefühl der Überlegenheit. Analysiert man das Scheitern, stellt man ganz oft fest, dass man in vergleichbarer Situation wahrscheinlich auch selbst gescheitert wäre. Man bleibt also trotz Erfolgen wachsam und achtsam.

Michael hat erzählt, dass er auf diese Art und Weise schon einen Haufen Geld verloren hat. Auf der anderen Seite hat sich diese Investition für ihn und sein Unternehmen aber ausgezahlt, weil erstens auch viele gute Konzepte raus kamen, vor allem aber, weil sein gesamtes Unternehmen kreativer und mutiger wurde. Mut, liebe Leute, brauchen wir um Entwicklung voran zu treiben.

Zu guter Letzt

So, und während ich das mit dem Mut geschrieben habe, komme ich nicht umhin, auch ein wenig selbstkritisch zu sein. Nein Michael, ich hatte nicht den Mut, meinen festen Job komplett zu kündigen und mit beiden Beinen und aus vollem Vertrauen in meine Ressourcen in die Selbstständigkeit zu springen. Aber immerhin bin ich nur noch in Teilzeit angestellt. Ich bin also in etwas kleineren Schritten mutig und ich glaube, ich muss demnächst auch mal was über Sicherheit und Komfortzonen schreiben.

Hilfe, bin ich mutig!

Hilfe, bin ich mutig!

In diesem Sinne wünsche ich uns allen weiterhin gute Gesundheit, Mut und kreative Tage im Social Distancing. Feedback ist nach wie vor extrem gewünscht.

Eure Constance