Mitarbeitergespräch

Wenn Mitarbeitende nicht so wollen, wie es sich die Führungskraft vorstellt - Autopoiese und Metakommunikation

Die hohe Kunst der Führung aus hypnosystemischer Perspektive

In den letzten beiden Woche habe ich gleich drei Situationen erlebt, in denen mir in meiner Rolle als Coach und Berater die hypnosystemischen Ansätze rund um das Thema Führung ausgesprochen hilfreich waren. Außerdem ist meine letzte Weiterbildung bei Dr. Gunther Schmidt, dem Vater der Hypnosystemik, noch sehr präsent. Somit hat sich das Thema für meine neusten Blog wie von alleine ergeben. Ich möchte euch in dieser Woche ein paar sehr praktische Tools aus dem hypnosystemsichen Ansatz von Dr. Gunther Schmidt mit Blick auf das große Thema Führung und herausfordernde Gespräche mit Mitarbeitenden erläutern.

Die Mitarbeitenden wollen einfach nicht so wie ich!

Immer diese Renitenz… Eine Thematik die wahrscheinlich keiner Führungskraft fremd ist. Ich will links, die Mitarbeitenden weigern sich oder wollen partout rechts… Woran liegt das? Schon Luhmann hatte in seinen systemtheoretischen Betrachtungen hierfür eine einleuchtende Erklärung: Autopoiese ist das magische Wort! Hierbei handelt es sich um einen Ansatz aus der Neurophysiologie, der ins Deutsche übersetzt so viel bedeutet wie “Selbstherstellung” oder “die Hervorbringung von etwas als Werk seiner selbst”. Komplexe Systeme, das heiß in diesem Zusammenhang psychische Systeme (also einzelne Menschen) und soziale Systeme (also Teams, Gruppen, Organisationen, aber auch Familien), entwickeln sich aus sich selbst heraus und entscheiden somit auch frei und aus sich selbst heraus. Ich kann von außen bestenfalls Impulse oder Anreize geben. Die Richtung abschließend vorgeben kann ich nicht. Allerdings können meine Impulse so klug oder einleuchtend sein, dass die betrachteten Systeme eigenständig entscheiden in die Richtung zu gehen, die ich vorschlage.

Ich drücke es mal ganz platt aus: Glaubt bitte nicht, ihr könnte irgendjemanden zu etwas zwingen oder davon überzeugen, dass etwas toll ist, nur weil ihr es toll findet. Sowohl einzelne Mitarbeitende, als auch ganze Teams oder Organisationen bleiben selbstbestimmt, immer. Dieses Phänomen der Autopoiese von Sozialsystemen und psychischen Systemen ist der Grund weshalb in Veränderung professionelle Begleitung hilfreich ist und weshalb Mitarbeitende sich eben nicht einfach in eine gewünschte Richtung entwickeln nur weil die Chefin oder der Chef das einfordert.

Gespräche mit Mitarbeitenden als Werbegespräche

Basierend auf dieser absoluten Eigenständigkeit des menschlichen Geistes spricht Dr. Gunther Schmidt gerne von Werbegesprächen mit Mitarbeitenden. Ich kann niemanden zwingen, aber ich kann für ein bestimmtes Ziel werben. Wie in der Werbung muss ich mir im Vorfeld sehr genau Gedanken darüber machen, was ich an den Mann oder die Frau bringen möchte, wofür das hilfreich ist und wie genau meine Zielgruppe aussieht. Generell gelten diese Kernpunkte sowohl im Change Management mit Blick auf ein größeres System, als auch in der Auseinandersetzung mit einzelnen Mitarbeitenden, bei denen die Führungskraft die Notwendigkeit einer Veränderung wahrnimmt. In diesem Artikel möchte ich mich auf den zweiten Fall, das heißt die Auseinandersetzung mit individuellen Mitarbeitenden fokussieren. Das Thema Change Management und Autopoiese liefere ich zu gegebener Zeit nach.

“Feedback ist ein Geschenk!” - Oder so in der Art…

Wann immer es in Feedback- oder Entwicklungsgesprächen mit Mitarbeitenden darum geht, dass die Führungskraft aus ihrer Sicht veränderungsbedürftige Thematiken bei ihren Mitarbeitenden ansprechen möchte oder muss, fühlen sich aus meinem Erleben zumeist beide Beteiligten nicht wohl. Um nicht zu sagen sie sind gestresst. Mitarbeitende fühlen sich mit Blick auf die asymmetrischen Machtverhältnisse häufig ausgeliefert und auch die Führungskräfte spüren vermehrten Stress, weil sie ja niemanden kritisieren oder verletzen wollen. Wie also herangehen, an ein solches Gespräch?

Aus hypnosystemsicher Sicht geht es bei dieser Art Gespräch nicht darum, Fehler aufzuzeigen. Vielmehr liegt der Fokus darauf, wie jede und jeder möglichst zieldienlich, das heißt im größeren Sinne des Unternehmens, agieren kann um ein gemeinsames positives Ergebnis zu erzielen. Ich finde diese Grundhaltung ist per se schon einmal hilfreich.

Schritt eins: Vorbereitung ist alles

Im Vorfeld eines solchen Entwicklungsgesprächs kann ich nur jeden ermuntern, sich selbst ausführlich zu reflektieren, im Idealfall vielleicht sogar mit Unterstützung eines hypnosystemischen Coaches:

  • Welchen Sinn (welches “Wofür) möchte ich dem Gespräch geben? Welches Ziel verfolge ich in diesem Gespräch? - Hier hat es sich als hilfreich erwiesen, sich dieses Ziel möglichst genau, auch bildlich vorzustellen.

  • Wie genau nehme ich die Leistungen der/des Mitarbeitenden wahr? Was macht die/der Mitarbeitende besonders gut (Muster des Gelingens erkennen)? Wo genau sehe ich Verbesserungspotenzial und wie genau (das heißt anhand welches Verhaltens) werde ich eine Verbesserung oder Entwicklung in die aus meiner Sicht optimale Richtung wahrnehmen?

  • Welche Wirkmöglichkeiten habe ich in meiner Rolle als Führungskraft? Was müsste und könnte ich tun, wenn keine Veränderung eintritt? Ich kann wie gesagt niemanden zwingen, etwas Bestimmtes zu tun. Aber ich kann sehr wohl versuchen extrinsische Motivationen zu setzen, die dazu führen, dass sich jemand selbstständig, unter Abwägung alles relevanten Fakten, entschließt, sich in eine bestimmte Richtung zu entwickeln.

  • Wie kann ich mein eignes Erleben der/des Mitarbeitenden respektvoll und lösungsorientiert formulieren?

  • In welche Zwickmühlen bringt mich dieses Situation selbst? Häufig möchten wir als Menschen gar nicht unbedingt andere auf ihr Entwicklungspotenzial hinweisen, in unserer Rolle als Führungskraft, einhergehend mit der Verantwortung für die Unternehmensziele, kommen wir jedoch nicht drumherum, entsprechend vorzugehen. Oder ich kann als Mensch das unerwünschte Verhalten der/des Mitarbeitenden sogar nachvollziehen, darf es in meiner Rolle als Führungskraft jedoch nicht akzeptieren, bzw. tolerieren.

  • In welcher Rolle führe ich das anstehende Gespräch? - Hier gibt es im Unternehmenskontext nur eine richtige Antwort für all jene unter euch, die in Führungsverantwortung sind: Als Führungskraft! Was bedeutet das für das anstehende Gespräch und mich selbst? Was brauche ich um mit eventuellen Ambivalenzen oder Rollenkonflikten Ambivalenzen gut umzugehen?

Schritt zwei: Durchführung

Als Initiator des Gesprächs legt die Führungskraft zunächst das “Wofür” des Gesprächs und ihre/seine Wahrnehmung der zu besprechenden Umstände dar. Das sollte so transparent und ehrlich wie nur möglich geschehen. Auch eigene Zwickmühlen dürfen an dieser Stelle transparent gemacht werden.

Anschließend wird die/der Mitarbeitende dazu eingeladen, die eigene Einschätzung darzulegen. Wie geht es der/dem Mitarbeitenden mit dem “Wofür” des Gesprächs? Welches “Wofür” wäre aus ihrer/seiner Sicht noch wünschenswert? Was brauch sie/er, um dieses Gespräch als unterstützend zu empfinden?

Bezogen auf die konkreten Themen wird die/der Mitarbeitende eingeladen, eine eigene Einschätzung abzugeben um Parallelen oder Unterschiede zur Einschätzung der Führungskraft auszudeuten. Hierbei hat sich die Arbeit mit Skalen von eins bis zehn sehr bewährt. Wichtig: Hierbei geht es NICHT um die objektive Wahrheit, sondern um subjektive Einschätzungen. Hierbei hat subjektiv betrachtet natürlich jede/jeder Recht! Ich kann die Einschätzung der/des Mitarbeitenden aus ihrer/seiner Sicht durchaus respektieren und es trotzdem aus meiner Rolle heraus anders einschätzen.

Bei der Vereinbarung über die nächsten konkreten Schritte ist es hilfreich, auf den sogenannten Mustern des Gelingens der/des Mitarbeitenden, das heißt auf alles das, was bereits wünschenswert läuft, aufzubauen. Zusätzlich zu den konkreten Schritten, die es für die/den Mitarbeitenden zu gehen gilt, ist es hilfreich, eine gemeinsame Resonanzschleife zu vereinbaren. - Wann treffen wir uns wieder um zu schauen ob es in eine gewünschte Richtung geht und ob ich dich in meiner Rolle als Führungskraft zusätzlich unterstützen kann?

Schritt drei: Umgang mit Widerständen

Das Phänomen der Autopoiese lässt grüßen! Denn wie eingangs beschrieben: Egal wie perfekt ich ein solches Gespräch aufbaue entscheidet allein die/der Mitarbeitende, ob sie/er Willens ist, in die gewünschte Richtung zu gehen, oder eben nicht. Für diese Entscheidung ist eine breite Kenntnis aller Fakten von hoher Bedeutung. Das heißt, die/der Mitarbeitende sollte unbedingt wissen, wie ich in meiner Rolle als Führungskraft vorgehen muss, wenn es eben nicht zur gewünschten Entwicklung oder Veränderung kommt.

Sollte der Widerstand seitens der/des Mitarbeitenden spürbar sein, ist es im ersten Schritt wichtig, mit diesem Widerstand respektvoll aber trotzdem zielorientiert anzusprechen. Hier kann es hilfreich sein, in eine Art Metakommunikation zu gehen: “Aus deiner Sicht oder als Mensch kann ich deine Haltung gut verstehen oder nachvollziehen. Ich respektiere deine Sichtweise, die aus deiner Perspektive verständlich ist. In meiner Rolle als Führungskraft, mit der Verantwortung für (…) sehe ich das jedoch anders, oder muss ich folgendermaßen argumentieren: …” Wichtig ist im Rahmen dieser Metakommunikation mit einem sehr klaren Appell zu beschließen: “In meiner Rolle als Führungskraft brauche ich (…) von dir.” Ist der Widerstand nach wie vor spürbar kann ich wie folgt ergänzen: “Wenn ich bis dann und dann allerdings nicht den Eindruck habe, dass ich (…) von dir bekomme, werde ich so und so reagieren müssen, auch wenn ich das eigentlich gar nicht will. Denn in meiner Rolle bleibt mir leider keine andere Alternative. Wie gesagt, ich respektiere, dass du frustriert, wütend, anderer Meinung bist, dennoch brauche ich (…) von dir. Kann ich dich dabei unterstützen? Was brauchst du von mir um (…) zu liefern?” -So oder so ähnlich!

Die Kunst des respektvollen Miteinanders

Im Kontext von Führung und Team-Management ist Hynosystemik, so wie sie Dr. Gunther Schmidt aus den hypnotherapeutischen Ansätzen des großen Milton Erickson entwickelt hat, für mich die Kunst das respektvollen und achtungsvollen Miteinanders. -Im Organisationskontext mit zusätzlichem, starken Fokus auf ein gemeinsames Ziel. Ein respektvolles Miteinander bedeutet jedoch nicht Harmonie und Friede-Freude-Eierkuchen. Ein respektvolles Miteinander bedeutet einen achtungsvollen Umgang mit Unterschieden. Denn in diesen Unterschieden steckt nicht selten das Entwicklungspotenzial einer Organisation. Henry Ford hat einmal gesagt, dass wenn zwei Menschen immer der gleichen Meinung seien, einer von beiden überflüssig sei. Unterschiedliche Einschätzungen und Wahrnehmungen sind das Salz in der Suppe des menschlichen Miteinanders, weil die jeweils andere Perspektive das Potenzial hat, ausgesprochen horizonterweiternd zu sein. In Unternehmen kommen aus meiner Sicht zwei zusätzliche Aspekte zum Tragen, die diese unterschiedliche Wahrnehmung noch etwas spannender machen:

  1. In Unternehmen gibt es ergänzend zu unseren individuellen Zielen auch immer ein höheres, gemeinsames Ziel, das es ausgesprochen gut und deutlich zu kommunizieren gilt. Dieses gemeinsam “Wofür” muss klar sein. Denn im Kontext meines Wirkens innerhalb dieses Unternehmens sollte ich in der Lage sein, meine individuellen Ziele dem großen Ziel anzupassen. Passen meine Ziel so ganz und gar nicht zu diesem Unternehmensziel, oder kann ich mich diesem Ziel aus anderen Gründen nicht anschließen, bin ich gut beraten mich zu fragen, ob ich am für mich richtigen Ort wirke.

  2. In Unternehmen gibt es unterschiedliche Rollen die auch in sehr flachen Hierarchien an unterschiedliche Macht-Niveaus (und damit subjektiv empfundenen Verantwortungs-Niveaus) und unterschiedlich Aufgaben (und damit Interessen und Problemräume) geknüpft sind. Diese unterschiedlichen Rollen bringen uns nicht nur innerhalb einer Hierarchie, sondern auch in der Auseinandersetzung mit den diversen Stakeholdern dazu, nicht als Mensch, der viele Themen gut nachvollziehen und gerne auch mal die berühmten Fünfe grade sein lassen möchte, zu agieren, sondern aus unserer jeweiligen Rolle heraus, im Sinne des Unternehmens. Diese Zwickmühlen gilt es wahrzunehmen und im täglichen Miteinander zu kommunizieren und wertzuschätzen um dann eine gemeinsame Lösung im Interesse des Unternehmens zu finden. In einer komplexen Welt brauchen erfolgreiche Unternehmen unterschiedliche Perspektiven die in einer achtungsvollen Diskussionskultur aufeinandertreffen.

Wo geratet ihr regelmäßig in diese Zwickmühlen und wie geht ihr für gewöhnlich damit um? Und vor allem, wie geht es euch mit diesen Feedback-Gesprächen? Wie gebt ihr Feedback und was braucht ihr um Feedback anzunehmen? Ich bin sehr gespannt auf Rückmeldungen zum Thema eurerseits.

Habt einen schönen, hoffentlich nicht zu regnerischen Sonntag.

Eure Constance

Führung leicht gemacht

Lösungen gemeinsam erarbeiten

Das Beurteilungsgespräch, die merkwürdigste Situation des Jahres

Große Freude! Es ist wieder Beurteilungsgespräch!

Wer von euch freut sich nicht auf sein jährliches Beurteilungsgespräch, weil er danach inspiriert und gestärkt den Raum verlässt und sich voller Energie auf zu neuen Ufern macht? Und wer unter den Führungskräften würde nicht sagen, dass die vier bis sechs Wochen im Jahr, in deren Verlauf die Mitarbeitergespräche geführt werden, eine Bereicherung für das Teamgefüge darstellen? Wer hat keinen Spaß daran, sich “SMARTe” Ziel auszudenken und die wunderbaren Beurteilungsbögen der Personalabteilungen auszufüllen? Ich spüre euer müdes Lächeln…

Warum ist das so? Warum macht uns diese jährliche Leistungsbeurteilung so nervös? Mitarbeiter wie Führungskraft? Sicher auch, weil indirekt so viel von eben dieser Beurteilung abhängt: Beförderung, Gehaltserhöhung, Boni, Projekte, etc. Selbst Manager, denen das Thema Personalentwicklung sehr am Herzen liegt und die in der Beurteilung ihrer Mitarbeiter geschult sind, sind sich dessen bewusst und so wird die Gesprächsatmosphäre immer auch von Unsicherheit und Angst begleitet, auf beiden Seiten. Um sich selbst Sicherheit zu geben, klammert der Chef sich gerne an diesen wundervollen Bogen, den die Personalabteilung ihm zu Verfügung gestellt hat und der Mitarbeiter versucht sich von seiner besten Seite zu zeigen. Keiner will etwas falsch machen. Dabei weiß der Mitarbeiter oft nicht wirklich was auf ihn zukommt, da die meisten Mitarbeiter im Laufe des Jahres seitens ihres Chefs kein regelmäßiges und ausführliches Feedback erhalten. Die Nervosität steigt ins Unermessliche, beide Seiten achten tunlichst genau auf das, was sie sagen und das Gespräch, welches so entsteht, ist alles, nur nicht spontan, offen und inspirierend. Am Ende sind beide Seiten froh, “es” hinter sich zu haben und ab jetzt wieder zwölf Monate Ruhe davor zu haben.

Das Potenzial von Beurteilungsgesprächen

Schade eigentlich, wenn man sich überlegt welches Potenzial diese Gespräche haben. Was würde denn passieren, wenn wir diese Gespräche nicht mehr aus Verpflichtung heraus führen würden, sondern als Ausdruck der Verbundenheit, aus aufrichtiger Wertschätzung und ehrlichem Interesse? Was würde passieren, wenn es in diesen Gesprächen nicht mehr darum ginge, festzulegen zu wie viel Prozent die Vorjahresziele erreicht wurden, sondern um Fragen wie: Was möchte ich wirklich gerne tun? Was macht mir Spaß? Was sind meine ganz besonderen Talente? Wo bringe ich diese schon ein? Was hält mich davon ab, meine Talente komplett in meine Arbeit einzubringen? Was brauche ich um eben das zu tun? Was macht mich einzigartig? In einer von Angst und Unsicherheit geprägten Gesprächsatmosphäre wird ein spontaner und ehrlicher Austausch über diese Themen unmöglich. Aber liebe Chefs und Manager, erst wenn ihr diese Punkte für jeden eurer Mitarbeiter abgeklärt habt, könnt ihr eure Mitarbeiter ihren Fähigkeiten und Talente entsprechend fördern und einsetzen. Erst dann kommt es zur High Performance eines jeden Einzelnen.

Die etwas andere Form von Beurteilung

Wie schaffen wir es also, das jährliche Gespräch zwischen Manager und Mitarbeiter für echten Austausch und wirkliche Weiterentwicklung zu nutzen? Wir müssen es irgendwie schaffen, diese Leistungsbeurteilungen anders aufzubauen, so, dass sie keinen Druck und keine Angst mehr erzeugt.

Der Wahnsinn der Bonuszahlungen

Im ersten Schritt sollte man die an persönliche Jahresziele gebundene Zahlung von Boni oder Provisionen überdenken. Diese machen aus vielerlei Gründen keinen Sinn. Dass durch sie einer der größten Angstfaktoren im jährlichen Mitarbeitergespräch weg fällt, ist nur ein positiver Nebeneffekt. In erste Linie sollte sich jedes Unternehmen mal darüber Gedanken machen, was passiert, wenn ich meinen Mitarbeitern die Karotte buchstäblich vor die Nase halte. Klar wird dann vielleicht etwas schneller gerannt, aber leider auch mit recht großen Scheuklappen. Beispiel: Der Head of Facility Management bekommt das Jahresziel, Mietkosten zu senken, gerne auch durch einen Umzug. Also macht sich der Manager auf die Suche nach einer neuen Liegenschaft und wird fündig. Vergleichbares Gebäude, soundsoviel Prozent weniger Miete. OK, es ist ein Staffelmietvertrag und in vier Jahren sind die Mietkosten dann deutlich höher als sie es heute sind. Ist aber egal, denn den diesjährigen fetten Bonus hat unser Manager sicher. Der entsprechende Vorstand unterschreibt alles, weil auch er in diesem Jahr Kosten senken muss. Also egal was irgendwann mal sein wird, für den Moment ist alles super. Verständlich irgendwie. Warum sollte einem das Hemd auch nicht näher sein als die Hose? Was passiert, wenn man einem Esel eine Karotte vor die Nase hängt, ist dass sein Horizont eben just bei dieser Karotte aufhört. Langfristig gesehen ein totaler Supergau!

Selbstreflexion statt Beurteilungsbögen

Stellen wir uns vor, wir haben diese Provisionierung der individuellen Jahresziele also abgeschafft und es gibt so etwas wie eine allgemeine Gewinnbeteiligung. Damit haben wir einen Teil des Drucks für beide Seiten raus genommen. Beurteilt werden sollte aber trotzdem. Deshalb könnte es im zweiten Schritt eine großartige Idee sein, den jährlichen Beurteilungsprozess zunächst als Möglichkeit zur Selbstreflexion zu nehmen. Jeder Mitarbeiter bekommt eine Liste von Fragen anhand derer er seine eigene Leistung und Zielerreichung reflektiert. Ich selbst bin immer mal wieder in der Position, die Leistung anderer zu beurteilen und ich bin tatsächlich weitestgehend dazu übergegangen, mir zunächst einmal anzuhören, wie die jeweiligen Kollegen sich selbst beurteilen würden. In etwa 99 Prozent aller Fälle sind diese Kollegen deutlich kritischer mit sich selbst, als ich es jemals wäre. Ähnlich erlebe ich es auch im Rahmen meiner Workshops, wenn ich die Gruppe bitte, sich selbst hinsichtlich einer Übung oder Aufgabe zu reflektieren.

Das Team als Spiegel

Um dem Selbstbild aber auf jedem Fall noch ein Fremdbild hinzuzufügen, damit die Sache rund wird, brauchen wir im nächsten Schritt ein Feedback. Hier stellt sich die generelle Frage, wer denn besser geeignet ist, meine Leistung zu beurteilen: Meine Kollegen, die mich täglich mehrere Stunden erleben und auch ganz genau mitbekommen, welchen Anteil der Teamleistung mir zuzuordnen ist, oder mein Chef, der mich vielleicht nur wenige Minuten pro Tag erlebt, wenn überhaupt? Eine Antwort erübrigt sich. In einem Teammeeting in wohlwollender und entspannter Atmosphäre stellt ein Kollege zunächst kurz seine Selbstreflexion vor. Danach haben alle Kollegen einen Moment Zeit, sich über das Gehörte in aller Stille Gedanken zu machen. Im Anschluss daran beantwortet jeder zwei Fragen: Was schätze ich besonders an der Zusammenarbeit mit dir? Und was ist der Bereich, in dem du dich noch weiterentwickeln könntest? Ein Protokollant schreibt alles an der Flipchart mit und überreicht abschließen dem Kollegen, der in diesem Meeting im Fokus steht, das Papier.

Die Führungskraft als Coach

Kommen wir zum letzten Schritt des Beurteilungs- oder Entwicklungsprozesses: Mit seinem Flipchart-Bogen geht unser Mitarbeiter nun zum Chef. In einem Vieraugengespräch besprechen die beiden jetzt die Ergebnisse des Teammeetings und gemeinsam mit dem Chef erörtert unser Mitarbeiter was er aus diesem Prozess mitnimmt, was er gelernt hat und wie und in welche Richtung er sich zukünftig weiterentwickeln möchte. Auf diese Art und Weise wird die jährliche Beurteilung zu einem ermutigendem Prozess der Selbstreflexion und Weiterentwicklung.

Wer jetzt sagt, das ist alles Hokus-Pokus und Traumtänzerei, jenseits von Wirtschaftlichkeit und Realität, dem sei gesagt, dass es einige sehr erfolgreiche Unternehmen gibt, die einen solchen oder ähnlichen Prozess bereits implementiert haben. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die nicht nur verstanden haben, dass der Mensch der Schlüsseln zu Erfolg ist, sondern darüber hinaus auch verstanden und verinnerlicht haben, was der Mensch braucht um sein volles Potenzial abzurufen: Respekt, Vertrauen, Sicherheit und Spaß!

Lasst uns aufhören mit diesem Karotten-Blödsinn in Kombination mit Druck und Angst. Lasst uns aufhören mit diesen Beurteilungsgesprächen um deren selbst Willen. Lasst uns doch mal wieder auf den ursprünglichen Sinn und Zweck dieser Gespräche rück besinnen. Es ging irgendwann mal um Weiterentwicklung und um mich weiter zu entwickeln brauche ich weder Druck, noch Angst, noch eine blöde Karotte. Ich brauche Unterstützung und jemanden, der mich als Person wahrnimmt, mit meinen Stärken und Schwächen. Wie sieht es bei euch aus? Was braucht ihr?

Eure Constance

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Total entspannt

Beurteilungsgespräche als Chance für alle beteiligten